
Ida Hausmann
Coole Datensätze für den Klimaschutz
Ida Hausmann hat sich in ihrer preisgekrönten Masterarbeit im englischsprachigen Studiengang Geomatics mit dem lebenswichtigen Phytoplankton vor der kalifornischen Küste beschäftigt. Über ihren akademischen Werdegang und ihre Motivation für die Arbeit mit umweltrelevanten Datensätzen haben wir mit ihr gesprochen.
HKA: Sie haben den Masterstudiengang Geomatics absolviert. Was lernt man da?
Ida Hausmann (IH): Viele können sich vielleicht unter „Geodaten“ etwas vorstellen. Das sind Daten, die auf verschiedenste Art gesammelt werden, die in irgendeiner Form ein Raumbezug haben. In unserem Studiengang Geomatics arbeiten wir auf alle erdenklichen Weisen mit diesen Daten. Wir haben sehr viele verschiedene Vertiefungsrichtungen, von Data Science über Fernerkundung bzw. Satellitenbildauswertung, über die Visualisierung von diesen Daten. Auch wenn man aus der Geodäsie kommt, der Vermessungslehre, die den mathematischen Aspekt dahinter anschaut, da sind wir wirklich sehr breit aufgestellt. Zusammenfassend ist das quasi Angewandte Informatik, also wir Programmieren sehr viel und haben thematisch immer einen Umweltaspekt und Raumbezug dabei. Es ist ein internationaler Studiengang, das bedeutet, da kommen aus aller Welt Studierende zusammen und die Vorlesungen, Klausuren und die Abschussarbeit sind auf Englisch. Ich hatte wirklich Angst davor, weil ich eigentlich nicht so gut Englisch kann, aber das war gar kein Problem. Unsere Professoren sind auch keine Muttersprachler in Englisch – da hat man für alle einen Weg gefunden. Die, die super gut Englisch können, haben uns Schwächeren geholfen. Interkulturell war diese Mischung echt cool. Es waren Studierende aus ganz unterschiedlichen Ländern dabei: Frankreich, Bangladesch, Amerika, Kolumbien, Südafrika – sehr international.
Der Titel Ihrer Masterarbeit lautet “Applying Machine Learning to Forecast Phytoplankton Abundance Based on RCP Scenarios in the California Current”. Worum geht es da genau?
IH: Phytoplankton, das sind einzellige pflanzliche Organismen in unseren Ozeanen. Plankton heißt, dass sie nicht selber schwimmen können, sondern einfach nur mit der Strömung herumtreiben; das sind Algen bzw. alles mögliche Pflanzliche in unserem Wasser.
Die Motivation bei der Masterarbeit war, dass Phytoplankton für unser Leben – sowohl für uns auf dem Land als auch im Wasser – sehr wichtig ist. Wie wir alle wissen, gibt's einen Klimawandel und es ist natürlich sehr interessant, rauszufinden: Was wird passieren mit diesem Phytoplankton? Es ist ja unser hauptsächlicher Sauerstofflieferant – noch vor Bäumen erstellt Phytoplankton den Großteil des Sauerstoffs, der geatmet wird.
Gängig ist, dass man sich einfach den Trend anschaut, also: Wie hat sich es in der Vergangenheit verhalten? – Wir führen das jetzt fort und gucken, was in der Zukunft passiert. Man kennt das, ganz viele politische Entscheidungen etc. führen dazu, dass wir auch schnelle Wendepunkte haben; wir versuchen ja z.B. den Klimawandel zu stoppen, aber es gäbe ja auch Szenarien, wo er noch gravierender würde. Mein Anspruch war, für diese Szenarien zu schauen: Wie wird sich das entwickeln? Das sind die sogenannten RCP-Szenarien oder RCP Scenarios. Mittlerweile ist der Begriff aktualisiert, sie heißen jetzt SSP-Szenarien (Shared Socioeconomic Pathways).
Ich wollte wissen, ob das Phytoplankton vom Klimawandel überhaupt beeinflusst wird. Deswegen habe ich mir verschiedene Szenarien ausgesucht und wollte dann die Prognose vergleichen. Wenn überall das gleiche Ergebnis rausgekommen wäre, dann wäre unser Phytoplankton ja wahrscheinlich unabhängig vom Klimawandel. In meinem Ergebnis habe ich starke Differenzen gesehen, sodass man sieht: Okay, der Klimawandel hat einen Einfluss darauf und das war die Idee dahinter.
Was waren die Unterschiede zwischen den Modellen?
IH: Im Endeffekt kann man grundsätzlich sagen: Egal, was passieren wird, das Phytoplankton reduziert sich langfristig in dem Bereich der kalifornischen Küste. Man hörte es auch viel in den Medien, dass 2025 so eine Algenblüte (toxic algae bloom) stattfand und teilweise weiter stattfindet und zu viel ist ja auch nicht gut. Aber egal, wie wir uns weiterentwickeln – das Phytoplankton wird insgesamt weniger. Wenn sich die Temperaturen sehr stark weiter erhöhen, verlieren wir deutlich mehr Phytoplankton – das sieht man schon deutlich in den Ergebnissen, dass ein starker Klimawandel zu noch weniger Phytoplankton führen wird. Bei den erstrebenswerten Szenarien, wo der CO₂-Ausstoß sogar reduziert werden könnte, wird sich das Phytoplankton in einem Bereich einpendeln, der auch in der Vergangenheit häufig zu sehen war, die Abhängigkeit von der CO₂-Konzentration konnte also gezeigt werden.
Wo haben Sie die Daten herbekommen?
IH: Die Daten basieren auf zwei verschiedenen Quellen. Ich habe ein Modell trainiert auf historischen Daten, die wurden von CalCOFI gesammelt; das ist tatsächlich ein ganz cooler Datensatz, die fahren seit 1940 mit Schiffen jedes Quartal verschiedene Messstationen ab, nehmen Wasserproben und messen dann ganz viele Parameter, um eben wirklich einen Zeitreihen-Datensatz zu erstellen, mit dem man ganz viel machen kann. Das ist meine Grundlage gewesen, um herauszufinden, welche Umweltparameter welchen Einfluss auf mein Phytoplankton haben.
Für die Vorhersage habe ich Datensätze von Bio-ORACLE genommen. Das sind ganz coole Datensätze, die sind für den kompletten Globus. Aktuell werden viele, ganz komplexe Klimamodelle gerechnet, da kann man dann die verschiedensten Parameter rausziehen. Und dieser Datensatz kombiniert verschiedene Klimamodelle – die weichen ja auch alle ein bisschen voneinander ab – und der macht quasi den Durchschnitt davon, sodass das eine sehr robuste Datengrundlage ist, weil er viel berücksichtigt. Ich habe dann geguckt, was z.B. für die Wassertemperatur vorhergesagt wird und konnte das dann in mein Modell eingeben, sodass er mir dann sagen konnte: Wenn die Wassertemperatur so hoch wird, dann wird unser Phytoplankton so.
Wie sind Sie vorgegangen, um mit Schwierigkeiten bei der Arbeit klarzukommen?
IH: Professorin Dr. Christine Preisach war meine Erstbetreuerin und mit ihr bin ich auf das Thema gekommen. Ich musste nicht nach Kalifornien fliegen, sondern die Datensätze sind frei zugänglich, da kann jeder reingucken. Ich habe ja nur eine kleine Auswahl davon benutzt.
Ich glaube, meine größte Schwierigkeit war, dass ich fachfremd war, ich bin ja keine Meeresbiologin. Um eine sinnvolle Aussage von den Beziehungen von diesen Parametern zu machen, kann ich nicht einfach nur datenwissenschaftlich irgendwelche Korrelationen berechnen, ich muss auch mal logisch drüber nachdenken: Ist das jetzt eine Variable, die mir wirklich zur Vorhersage dient? Also als Beispiel: Ich bekomme im Datensatz auch den Wert für den Sauerstoff, aber der Sauerstoffgehalt wird von Phytoplankton beeinflusst, das bedeutet, der Sauerstoffgehalt bringt mir dann im Umkehrschluss nichts zur Vorhersage, weil es ja ein Resultat ist. Solche Sachen musste ich mir viel überlegen, das war im Endeffekt die größte Schwierigkeit, sich so einzulesen, dass es einfach fachlich Sinn ergibt; ich kann nicht einfach nur blind Daten nehmen und irgendein Modell trainieren.
Also sind sie sozusagen auch ein bisschen Expertin für Phytoplankton geworden?
IH: Ich habe zumindest mein Interesse erweitert – nicht direkt für Phytoplankton, aber für die Ozeane.
Wie war Ihr Weg von der Schule zur preisgekrönten Abschlussarbeit?
IH: Aus der Schule bin ich mit einem unterdurchschnittlichen Abi rausgerutscht. Ich hatte Erdkunde-Leistungskurs und wollte irgendwas in dem Bereich machen. Ich habe grob recherchiert, was es in Karlsruhe gibt. Das KIT ploppte schnell auf und letztendlich habe ich mit dem Meteorologie-Studium dort angefangen, weil ich das Thema Klima spannend fand. In der ersten Woche habe ich festgestellt, ich muss ein Physik-Grundstudium machen, da habe ich dann relativ schnell das Problem für mich erfasst, auch die Art und Weise, wie am KIT gearbeitet wird und was von den Studierenden erwartet wird. Ich war zu dem Zeitpunkt dazu nicht bereit. Mittlerweile würde ich sagen: Ich kann jetzt wissenschaftlich arbeiten. Zu dem Zeitpunkt konnte ich das nicht, ich musste das erst lernen. Aus dem Grund habe ich mich relativ schnell entschieden: Ich suche mir was anderes. Weil ich in Karlsruhe bleiben wollte, habe ich gedacht: Okay, Hochschule, das ist angewandter. Meine Mutter war auch an einer Hochschule und hat mir erzählt, das ist schulischer, man ist in kleineren Gruppen, man wird dann doch besser betreut und ist nicht eine Zahl von 2000.
Ich hatte mich sowohl für den Geodäsie-Studiengang beworben als auch für Umwelt- und Geoinformationsmanagement, weil ich Angst hatte, nicht angenommen zu werden. Für letzteres habe mich dann entschieden, weil dort noch Informatik dabei war. Sowohl die Informatik als auch das Kreative mit der Kartografie und anderes hat mich angesprochen.*
Bis hin zur Masterarbeit habe ich gut lernen können, wie man wissenschaftlich und selbstständig arbeitet, der Weg war wirklich gut betreut.
An der HKA hatten wir sehr viele Übungen; wir haben während des Semesters immer viel praktisch und wirklich angewandt gearbeitet, sodass man es wirklich versteht und dann waren die Klausuren auch nicht mehr das Hexenwerk.
Sie sind immer noch an der Hochschule – was machen sie jetzt?
IH: Ich habe eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw. Doktorandin bei Christine Preisach, bin im Forschungsinstitut ISRG und helfe da bei dem Projekt SimpleAgriData mit. Das hat jetzt nichts mit Geo zu tun, sondern mit Data Science. Wir haben ganz viele Daten über Hühner und können gucken, wie wir das Leben von den Hühnern schön machen können.
Das Umweltthema zieht sich anscheinend durch bei Ihnen…
IH: Ich bin sehr tierlieb und hatte mir für die Masterarbeit gewünscht, irgendwas mit Tieren zu machen. Darüber habe ich mit Christine Preisach gesprochen. Ich fand schon immer die Ozeane cool und vor allem Wale – damit wollte ich was machen. Dann habe ich ziemlich schnell diese Realitätsklatsche bekommen, denn genau dazu gibt's nicht so viele Daten. Ich habe dann gesucht und diesen Datensatz mit dem Phytoplankton gefunden. Die Wale brauchen ihn ja schlussendlich. Mein Anspruch war, irgendwie zu helfen, diese Tiere zu schützen bzw. mit meinem Wissen dazu beizutragen.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Promotion bei uns.
*Die HKA entwickelt ihr Studienangebot marktorientiert weiter, deshalb werden die Bachelorstudiengänge 'Geodäsie und Navigation' und 'Umwelt- und Geoinformationsmanagement' zum Wintersemester 2025/26 aufgehoben. Die Verarbeitung raumbezogener Daten wird im bestehenden Bachelorstudiengang Data Science weiter aufgebaut.