INGENIUM – ein europäisches Hochschulnetzwerk
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Die INGENIUM European University bietet allen Angehörigen der HKA vielfältige Möglichkeiten zur fachlichen Weiterbildung, persönlichen Entwicklung, zu interkulturellen Erfahrungen und zum Netzwerken.
Auf dieser Seite berichten Teilnehmende vergangener Veranstaltungen über ihre Erlebnisse.
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Mit dem Bus von Deutschland nach Bulgarien
Internationale Vernetzung erfordert direkte Begegnungen, vor allem wenn es darum geht, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Aber wie reist man, wenn in Zeiten des Klimawandels offensichtlich ist, dass jede nicht angetretene Reise eigentlich die bessere Reise ist?
Die Herausforderung: Trotz der großen Entfernung (Bulgarien) soll die Geschäftsreise so nachhaltig wie möglich sein, d.h. der CO2-Fußabdruck soll so gering wie möglich sein. Der Flug ist bereits aus dem Rennen. Die Recherche im Vorfeld ergibt zwei Möglichkeiten: Zug oder Bus. Die Zugfahrt, so wird schnell klar, ist extrem zeitaufwändig, da die Verbindung nicht direkt, sondern über Ungarn und Rumänien erfolgt. Die Busfahrt hingegen ist weitgehend direkt und dementsprechend kürzer. Bequeme 28 statt fast 40 Stunden.
Nach einem vorläufigen Zwischenstopp in der alten Heimat geht es am Montag, 16. Oktober 2023, auf die eigentliche Dienstreise: mit dem Flixbus von Salzburg nach Sofia. Schon beim Einsteigen gibt es die erste Überraschung. Mein Platz ist doppelt belegt und wir müssen verhandeln, wer wo sitzt. Am Ende bekommt jeder einen Platz und niemand muss stehen. Damit ist das Eis zu meinen Mitreisenden gebrochen und ich erfahre, dass meine Sitznachbarin eine Weiterbildung zur Stimmbildnerin in München absolviert hat und nun in ihre steirische Heimatstadt zurückkehrt. Nicht alle Konstellationen haben so viel Glück mit guter Unterhaltung: In den hinteren Reihen bricht, fast aus dem Nichts, ein Tumult aus. Und mein geistiges Auge zoomt aus dem Bus heraus wie in einem Comic und sieht ihn über die Autobahn taumeln, ausgelöst durch eine Massenschlägerei im Inneren. Dazu kommt es nicht, und es kehrt ein wenig Ruhe ein. Als der Tumult in Ljubljana wieder ausbricht, lösen die beiden Busfahrer das Problem ganz pragmatisch und werfen den Initiator des Tumults kopfüber (!) aus dem Bus. Die restlichen Stunden verlaufen dann wesentlich ruhiger und werden im Wesentlichen nur durch die mal längeren, mal kürzeren Prozeduren beim Grenzübertritt (Kroatien, Serbien, Bulgarien) unterbrochen.
Zwischenfazit: anstrengend, aber gut machbar. Der Versuch, die Reisezeit zum Arbeiten zu nutzen, erweist sich als relativ kurz. Der Platz im Bus ist so beengt, dass ein entspanntes Arbeiten nicht möglich ist. Dafür bleibt Zeit, die Schönheiten der jeweiligen Umgebung zu genießen (z.B. den Blick auf den Watzmann oder den Triglav) und sich mit meinen Mitreisenden auszutauschen.
Frühmorgens kommen wir in Sofia an. Drei Tage internationaler Austausch liegen vor uns, beruflich und persönlich. Die anfängliche Zurückhaltung ist schnell überwunden. Wir kommen über die verschiedenen Themen ins Gespräch, aber auch bei den organisierten gemeinsamen Ausflügen. Und spätestens beim zweiten Abendessen, als wir im Restaurant zu den traditionellen bulgarischen Tänzen aufgefordert werden, ist auch die letzte Scheu verschwunden. Mit Musik und Tanz und gemeinsamem Spaß können wir die eine oder andere Sprachschwierigkeit leicht überwinden. Das spürt man deutlich an der Stimmung am dritten Tag. Es sind nicht mehr nur einzelne Delegationen für ein gemeinsames Projekt, sondern wir treiben dieses gemeinsame Projekt voran. Das war's dann leider auch schon. Es ist Zeit, sich zu verabschieden, aber die Fortsetzung an unserer Partneruniversität auf Kreta ist bereits für Februar geplant...
Bevor der Bus nach Karlsruhe abfährt, bleiben noch ein paar Stunden für einen Ausflug ins nahe Vitosha-Gebirge und zum Cherni Vrah, dem schwarzen Berg, von dem man einen schönen Blick auf Sofia hat. Dann geht es zurück und bei jedem Grenzübertritt wird klar, dass es nicht immer nur eine Formalität ist. Immer wieder kommt es zu Schwierigkeiten und manchmal reisen einzelne Personen „plötzlich“ nicht mehr mit. Die genauen Gründe dafür bleiben im Dunkeln. Von erfahrenen Reisenden auf dieser Strecke höre ich, dass die Gründe sehr unterschiedlich sein können (z.B. ein nicht bezahlter Strafzettel). Ich habe das Gefühl, dass ich als Reisender mit deutschem Pass privilegiert bin.
Insgesamt finde ich das Reiseerlebnis im Vergleich zu einer Flugreise viel intensiver. Ich habe mit vielen und sehr unterschiedlichen Menschen gesprochen und konnte so zumindest viele Eindrücke von der Landschaft sammeln. Durch die Möglichkeit, über Nacht zu fahren, brauchte ich für die Reise zwei Tage statt einem. Dafür sind die Kosten etwa halb so hoch wie bei einem Flug. Und für das Ziel, CO²-Emissionen zu vermeiden, ergibt sich ein Fußabdruck von 153 kg für die Busfahrt gegenüber 860 kg für den Flug und damit eine Ersparnis von rund 700 kg (laut: carbontracer.uni-graz.at).
Meiner Meinung nach hat es sich gelohnt und war die Mühe wert. Die Herausforderung für das nächste Treffen - Kreta - ist also da.